Von Roten Hemden und Weissen Stuetzstruempfen.

Montag, 22. November 2010

"Das ist vielleicht deine Meinung, man..."

Man sagt zwar "besser zu viel, als zu wenig" und zu viele Eintraege gibt es hier gewiss nicht, aber waere es ja auch schade, wenn der einzelne Post in einer riesigen Flut von Informationen untergeht. Wenn ein bisschen Zeit zwischen den Posts vergeht, ist das Ergebnis auch ergiebiger als beispielsweise "Heute habe ich einen Heissluftballon gesehen".
Mittlerweile muss mich tatsaechlich ziemlich anstrengen, damit mir etwas einfaellt, was denn interessant sein koennte. Tatsaechlich gaebe es wahrscheinlich unglaublich viele Sachen, die erwaehnenswert oder spannend waeren, aber mir erscheint der Alltag hier mehr und mehr normal und ich brauch oft eine ganze Weile, bis ich merke, wie bizarr die entsprechende Situation eigentlich ist. Nun denn, ich bemuehe mich trotz allem, einen mehr oder minder schoenen Eintrag zustande zu kriegen.

Als AFS vor etwa 2 Monaten alle Austauschschueler auf das sogenannte "Cultural Orientation Camp" - kurz COC - eingeladen hatte, um sich unserer Probleme und Sorgen anzunehmen, war mein Eindruck, dass AFS selbst mehr Probleme bereitet, als dass die Mitarbeiter irgendwie in der Lage waeren als Mediatoren zu agieren und eine Loesung zu finden. In meinen Augen schienen die Betreuer voellig ueberfordert zu sein. Sie hoerten uns zwar geduldig zu, aber unabhaengig davon, welche Art von Problem oder Konflikt wir dar gelegt hatten, die Antwort war immer die selbe: "Maybe it's not your mistake and their fault. But maybe . . . (*Augen zwinker*). . . you just have to open your heart." Ich fand das gefuehlskalt und unprofessionell uns immer wieder so abzuspeisen und als man uns dazu auch noch eine Liste aushaendigte - "10 criterias of a succesfull exchange student", war AFS Thailand fuer mich nicht mehr, der Rueckhalt den es eigentlich darstellen sollte, sondern nur noch eine Instanz, von der ich soviel Distanz wie moeglich haben wollte. Es kam mir so vor, als wolle uns AFS nach einen ganz bestimmten Pattern zu eben diesen erfolgreichen Austauschschuelern formen. Nun ist das ganze ja schon eine Weile her und waere nicht weiter erwaehnenswert, wenn ich denn nichts daraus gelernt haette, naemlich was es (zumindest fuer mich) bedeutet, sich auf eine fremde Kultur einzulassen.

Im Gegensatz zu AFS Deutschland, wo die Camps von ehemaligen Austauschschuelern geleitet werden, sind in Thailand die Betreuer groesstenteils alte Damen, die zu meist noch keinerlei interkulturelle Erfahrungen haben (wobei das so eigentlich auch Quatsch ist - Stichwort Globalisierung und so weiter...). Fuer mich war das eine ziemliche Enttaeuschung, niemanden zu haben, der so etwas wie eine "Draufsicht" auf die eigene Kultur hat, sondern jemanden der mitten drin steckt und unsere Kultur ueberhaupt nicht kennt. Mittlerweile find ich es eigentlich schoen, dass jemand der eben noch keine Erfahrungen mit anderen Kulturen hat, sich unentgeldlich freiwillig meldet, einfach um zu helfen und vielleicht auch etwas dazu zu lernen.
Ich hab die Liste, was es fuer einen erfolgreichen Austauschschuler braucht, schon lange verloren oder weggeworfen, aber manchmal gehe ich sie noch im Kopf durch, zwar nicht mit dem Ziel ein besonders erfolgreicher, "guter" AFS-Teilnehmer zu sein, sondern unter der Ueberschrift "10 Eigenschaften, die dir helfen koennen, besser mit einer fremden Kultur klar zu kommen". Und letztendlich hat AFS mir doch einiges mitgegeben, ob willentlich oder nicht, das sei mal so dahingestellt. Ich hab gelernt, wie wichtig es ist, sich auf Inhalte zu konzentrieren und seine Emotionen manchmal etwas zu zuegeln und das ist ein Schritt, der mich, meiner Meinung nach, vertrauter mit der Thai-Kultur gemacht hat, als jede Thai-Tanz Stunde. Und so komisch der Vorschlag "oeffne dein Herz, dann wird alles gut" klingen mag - es ist was dran. Ziemlich viel sogar. Thais sagen eben nicht "Du bist staemmig" oder "Du hast nur schwere Knochen". Thais schauen dich an, grinsen und sagen "Boah - du bist aber fett!". Meinen tun aber beide das selbe. Das ist trotzdem verunsichernd und hat mich anfangs wuetend gemacht, dass zu hoeren. Jetzt denke ich, dass es eigentlich schoen ist, wie die Thais damit umgehen. Sie tabuisieren, in diesen Fall das Thema Fettleibigkeit, nicht noch weiter als es sowieso schon ist, indem sie versuchen es schoen zu reden. Denn man muss nur das schoen reden, was man selbst haesslich findet. Der offene Umgang mit solchen Problematiken schafft Toleranz, soweit, dass viele dick sein gar nicht als schlecht empfinden bzw. gar nicht auf die Idee, dass es schlecht sein koennte. Das bedeutet aber nicht, dass Thais dicker als deutsche sind (um "duenn sein" mal aus gesundheitlichen Gruenden zu verteidigen). Ganz im Gegenteil - Wer ist denn die 2. dickste Nation der Welt. Thailand auf jeden Fall nicht.
Die groessten Unterschiede zwischen 2 Menschen sind deswegen fuer mich nicht, welches Essen, welche Musik oder Sportart sie moegen, sondern welche Wertvorstellungen sie vertreten, wie sie die Welt sehen. Und dass man da in einen fremden Land immer Mal aneckt ist nur logisch. Wenn man es einmal geschafft hat, andere Meinungen anzuerkennen und aufrichtig wertzuschaetzen, dann ist man eigentlich ueberall zuhause.